Wann Kununu Bewertungen löschen muss – und wann nicht!

Bewertungsplattformen wie Kununu bieten Arbeitnehmern und Bewerbern die Möglichkeit, Unternehmen anonym zu bewerten. Für Arbeitgeber kann dies jedoch erhebliche Auswirkungen haben, insbesondere wenn negative oder unwahre Bewertungen abgegeben werden. Doch unter welchen Voraussetzungen muss Kununu eine Bewertung löschen? Die aktuelle Entscheidung des OLG Dresden (Urteil v. 17.12.2024, Az. 4 U 744/24) liefert hierzu neue Klarheit.  

 

1. Rechtliche Grundlagen

 

a) Meinungsfreiheit vs. Unternehmenspersönlichkeitsrecht

Die rechtliche Beurteilung von Bewertungen bewegt sich im Spannungsfeld zwischen der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht, das sich aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG ableitet.  

 

b) Haftung von Plattformbetreibern

Bewertungsplattformen wie Kununu sind grundsätzlich nicht verpflichtet, jede eingestellte Bewertung aktiv auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Urteil v. 01.03.2016, Az. VI ZR 34/15 – „Jameda II“) haften Plattformbetreiber aber dann, wenn sie nach Kenntnisnahme einer rechtswidrigen Bewertung nicht reagieren. Ein Löschungsanspruch besteht insbesondere dann, wenn die Bewertung

  • unwahre Tatsachenbehauptungen enthält,
  • Schmähkritik darstellt oder
  • eine unzulässige Meinungsäußerung ist, die keinen ausreichenden Tatsachenkern hat.

 

2. Die Entscheidung des OLG Dresden (Az. 4 U 744/24)

In dem vorliegenden Fall forderte ein Logistikunternehmen die Löschung einer negativen Kununu-Bewertung aus dem Jahr 2015. Die Bewertung war unter dem Titel „Schlechtester Arbeitgeber aller Zeiten“ erschienen und enthielt Vorwürfe über schlechte Behandlung der Mitarbeiter und eine hohe Fluktuation.  

 

a) Entscheidung des Landgerichts Leipzig

Das Landgericht Leipzig hatte zunächst dem klagenden Unternehmen recht gegeben und Kununu zur Löschung verpflichtet. Es argumentierte, dass Kununu die Identität des Bewertenden nicht nachgewiesen habe und deshalb anzunehmen sei, dass kein echtes Beschäftigungsverhältnis bestand. Das Gericht sah in der Bewertung eine unzulässige Beeinträchtigung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts.  

 

b) Entscheidung des OLG Dresden

Das OLG Dresden hob dieses Urteil jedoch auf und stellte fest, dass Kununu seine Prüfpflichten erfüllt habe. Entscheidend war, dass Kununu anonymisierte Arbeits- und Ausbildungsnachweise vorlegte, die eine frühere Beschäftigung des Bewerters belegten. Damit sei die Bewertung als zulässige Meinungsäußerung einzustufen. Das Gericht betonte, dass:

  • Kununu nicht verpflichtet sei, die Identität der Bewertenden offenzulegen (BGH, Urteil v. 23.06.2009, Az. VI ZR 196/08),
  • Plattformbetreiber jedoch einer sekundären Darlegungslast unterliegen (BGH, Urteil v. 01.03.2016, Az. VI ZR 34/15),
  • die Bewertung eine zulässige subjektive Meinungsäußerung darstelle, die von Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt sei.

 

3. Prüfpflichten von Kununu

Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil v. 28.07.2015, Az. VI ZR 340/14 – „Jameda I“) muss ein Portalbetreiber:

  1. Bei einer Beschwerde den Bewerter kontaktieren und um Stellungnahme bitten.
  2. Gegebenenfalls Belege für die in der Bewertung behaupteten Tatsachen einholen.
  3. Den betroffenen Arbeitgeber über das Prüfergebnis informieren.

Kununu hat in diesem Fall diese Anforderungen erfüllt, indem es anonymisierte Nachweise eingeholt und die Zuordnung der Bewertung zu einem ehemaligen Unternehmensstandort sichergestellt hat.  

 

4. Weitere relevante Gerichtsurteile zur Löschpflicht

 

a) OLG Hamburg (Beschluss v. 08.02.2024, Az. 7 W 11/24)

In diesem Fall forderte ein Vertriebsunternehmen die Löschung zweier negativer Bewertungen auf Kununu. Das Unternehmen bestritt einen realen Geschäftskontakt mit den Bewertern und verlangte deren Löschung. Kununu verweigerte dies, da die Rüge nicht weiter substantiierte wurde. Das OLG Hamburg entschied zugunsten des Unternehmens und stellte fest, dass bei Zweifeln an der Echtheit einer Bewertung das Bewertungsportal verpflichtet ist, den Bewerter so weit zu individualisieren, dass der Bewertete das Vorliegen eines realen geschäftlichen Kontakts überprüfen kann. In der Regel bedeutet dies die Nennung des Klarnamens des Bewerters. Weigert sich das Portal, diese Informationen bereitzustellen, besteht ein Anspruch auf Löschung der Bewertung.  

 

b) BGH (Urteil v. 09.08.2022, Az. VI ZR 1244/20)

Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Rüge des Bewerteten, einer Bewertung liege kein realer Gästekontakt zugrunde, grundsätzlich ausreicht, um Prüf- und Offenbarungspflichten des Bewertungsportals auszulösen. Der Bewertete ist nicht verpflichtet, weitere Begründungen zu liefern, da er ohne Kenntnis des zugrunde liegenden Geschäftskontakts keine weiteren Darlegungen machen kann.  

 

5. Fazit

Das Urteil des OLG Dresden stärkt die Meinungsfreiheit und bestätigt, dass Bewertungsplattformen wie Kununu nicht zur Offenlegung von Bewerter-Identitäten verpflichtet sind, solange sie angemessene Prüfmaßnahmen durchführen. Unternehmen, die sich gegen negative Bewertungen wehren wollen, müssen daher genau prüfen, ob eine Bewertung tatsachenwidrig oder reine Schmähkritik darstellt. Andernfalls haben sie keinen Anspruch auf Löschung.  

 

6. Handlungsempfehlung für Arbeitgeber bei negativen Kununu-Bewertungen

Bewertungsplattformen wie Kununu können das Unternehmensimage erheblich beeinflussen. Negative oder unwahre Bewertungen können potenzielle Kunden und Arbeitnehmer abschrecken. Arbeitgeber sollten daher gezielt gegen unzutreffende oder rechtswidrige Bewertungen vorgehen. Die folgende Handlungsempfehlung gibt eine klare Struktur für den Umgang mit solchen Bewertungen.  

 

a. Bewertung regelmäßig überwachen

  • Überprüfen Sie Ihr Unternehmensprofil auf Kununu und andere Bewertungsportale in regelmäßigen Abständen.
  • Richten Sie gegebenenfalls automatische Benachrichtigungen ein, um über neue Bewertungen informiert zu werden.

 

b. Bewertung analysieren: Meinungsäußerung oder Tatsachenbehauptung?

  • Zulässige Meinungsäußerung: Subjektive Einschätzungen („schlechtester Arbeitgeber“, „katastrophale Führung“) sind durch die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) geschützt und nicht angreifbar.
  • Unwahre Tatsachenbehauptung: Wenn eine Bewertung falsche Fakten enthält („Löhne werden nicht gezahlt“, „es gab keine Arbeitsverträge“), kann eine Löschung verlangt werden.
  • Schmähkritik oder Beleidigung: Diffamierende Aussagen („Betrügerfirma“, „kriminelles Unternehmen“) sind unzulässig und können gelöscht werden.

 

c. Prüfung der Identität des Bewerters

  • Ist die bewertende Person tatsächlich Mitarbeiter oder Bewerber gewesen?
  • Falls Zweifel bestehen: Ist eine Zuordnung zu einem realen Arbeitsverhältnis möglich?

 

d. Kontaktaufnahme mit Kununu zur Löschung der Bewertung

Falls die Bewertung unwahre Tatsachenbehauptungen enthält oder der Bewertende nicht identifiziert werden kann, sollte eine Löschung beantragt werden.

  1. Erstkontakt mit Kununu:
    • Nutzen Sie das offizielle Beschwerdeformular auf Kununu.
    • Begründen Sie Ihre Beschwerde detailliert (z. B. kein Beschäftigungsverhältnis mit dem Bewerter).
    • Verweisen Sie auf relevante Urteile (OLG Hamburg, BGH, OLG Dresden).
  2. Prüfung durch Kununu:
    • Kununu ist verpflichtet, den Bewerter zu kontaktieren und um Nachweise zu bitten.
    • Falls Kununu die Identität nicht offenlegt oder keine ausreichenden Nachweise liefert, kann eine Löschung verlangt werden.

 

e. Rechtliche Schritte einleiten, falls Kununu nicht reagiert

Falls Kununu trotz begründeter Beanstandung nicht löscht:

  • Anwaltliche Abmahnung: Fordern Sie Kununu unter Fristsetzung zur Löschung auf.
  • Gerichtliches Vorgehen: Falls Kununu nicht löscht, kann eine Klage auf Unterlassung und Löschung erhoben werden. Hierbei sind insbesondere die aktuellen Urteile des OLG Hamburg und BGH relevant.

 

f. Positives Arbeitgeberimage aufbauen

Um negative Bewertungen auszugleichen:

  • Fordern Sie zufriedene Mitarbeiter auf, ehrliche Bewertungen abzugeben.
  • Reagieren Sie professionell auf Kritik und zeigen Sie Lösungsbereitschaft.
  • Nutzen Sie Kununu aktiv zur Arbeitgebermarkenbildung.

  Arbeitgeber sind negativen Kununu-Bewertungen nicht schutzlos ausgeliefert. Durch eine systematische Prüfung und rechtliche Maßnahmen können unzulässige Bewertungen gelöscht werden. Gleichzeitig sollte das Unternehmen eine langfristige Strategie zur positiven Darstellung auf Bewertungsplattformen verfolgen.  

 

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